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Der Weg des Buches

News


Pilgerpass für Weg des Buches

Rechtzeitig vor der Eröffnung der Wandersaison am evangelischen Pilgerweg „Weg des Buches“, wurde erstmals ein Pilgerpass aufgelegt, der die Wanderer am Weitwanderweg durch Österreich begleitet. Außerdem wird nun der Weg der Bücher- und Bibelschmuggler nach Ortenburg in Deutschland verlängert!

Wenn am 21. – 23. Juni, zur Eröffnung der Wandersaison am „Weg des Buches“, die Pilger von Schladming nach Tamsweg durch die Niederen Tauern wandern, dann werden sie ab jetzt auch einen Pilgerpass mit dabei haben. Dieser dient nicht nur zum Nachweis der zurückgelegten Strecke, sondern motiviert auch mit Glaubenssprüchen, Liedern und Wanderhinweisen. 29 Etappen in Österreich können darin eingetragen werden. Entwickelt wurde der Pass von Charlotte Matthias, der bischöflichen Koordinatorin aus Wien und von Diakon Robert Graimann aus Feldkirchen in Kärnten, die für die Programme und die Weiterentwicklung des evangelischen Weitwanderweges zuständig sind. „Der „Weg des Buches“ ist Mitglied der Initiative ARGE Pilgern in Kärnten, wobei innerhalb von drei Jahren, verschiedene Infrastrukturmaßnahmen durch ein Leaderprojekt umgesetzt werden“, sagt Graimann. Zur Wandereröffnung 2013 am „Weg des Buches“ erhält jeder Teilnehmer einen Pilgerpass kostenlos, für den in der Folge ein Unkostenbeitrag von drei Euro zu leisten ist und über www.wegdesbuches.at zu bestellen ist.

Weitwanderweg in der Verlängerung

Bisher führte der Weg der Bibel- und Bücherschmuggler in Österreich, über 500 Kilometer von Schärding bis nach Agoritschach/Arnoldstein in Kärnten. Bis nach Ortenburg in Deutschland, dem historisch korrekten Ausgangsort das „Weg des Buches“, soll ab nun der Weitwanderweg im benachbarten Bayern führen. Anlass ist die 450 Jahr Feier der Reformation des Ortes, die mit einem regionalen Kirchentag, am 16. Juni begangen wird. Die Stadt nahe der Bischofstadt Passau und nahe Vilshofen, ist seit dieser Zeit ein evangelisch geprägter Ort, eine protestantische Enklave, in einer ehemals kleinen evangelischen Reichsgrafschaft. Bis Ortenburg durften die Bibeln, die meistaus Nürnberg und Regensburg kamen, im Geheimprotestantismus geliefert werden. Ab Ortenburg wurden die unzähligen Lutherbibeln, Gesangs- und Gebetsbücher nach Österreich hinein, bis in die entlegensten Bergtäler geschmuggelt.

Veranstaltung „Saisoneröffnung am „Weg des Buches“

21.-23. Juni: mit einer Wanderung von Schladming/Ursprungsalm über die Niederen Tauern nach Tamsweg.

Start am 21.Juni um 15:40 mit dem Tälerbus von Schladming Bahnhof zur Ursprungsalm.
Anreise bis Schladming mit Fahrtgemeinschaften.
Anmeldung und Infos unter: www.spirituell-wandern.at und unter +43 664 4445459

Weitere Aktivitäten auf dem Weg des Buches 2013

16. Juni 2013 Ortenburg /Bayern, Schlosswiese: Freiheit leben! – Regionaler Kirchentag 2013 anlässlich „450 Jahre Reformation in Ortenburg“.
Programm siehe unter www.evangelisch-mitten-in-bayern.de

  • Infostand über den „Weg des Buches“

Wanderungen auf dem „Weg des Buches“

  • Von Schladming nach Tamsweg über die Niederen Tauern vom 21. bis 23. Juni
  • Von Ramsau am Dachstein nach Gosau über die Hofpürgl-Hütte (1750 m) am 3. Juli
  • Von 16.-21. Juli von Ramingstein nach Fresach durch das Nockgebiet.
  • Von Monte Lussari nach Fresach vom 25. bis 28. August
  • Von Andorf (bei Schärding) nach Ortenburg (Niederbayern)vom 21. auf den 22. September
  • Radwanderung von Andorf nach Ortenburg am 22. September

Weitere Attraktionen und Angebote

Reformation in Ortenburg

Die Evangelische Kirche A.B. in Österreich verlängert den „Weg des Buches“ anlässlich der 450-Jahrfeiern „Reformation in Ortenburg“. Offizieller Start des Themenweges auf den Spuren der Bibelschmuggler durch Österreich ist Ortenburg in Bayern.

Historisch korrekt beginnt der „Weg des Buches“ in Ortenburg im benachbarten Bayern – nahe der Bischofstadt Passau und nahe Vilshofen. Ortenburg ist seit 1563 ein evangelisch geprägter Ort, eine protestantische Enklave in einer ehemals kleinen evangelischen Reichsgrafschaft, die heuer 450 Jahre Reformation mit Ausstellungen, Gottesdiensten, Vorträgen, Führungen und einem regionalen Kirchentag am 16. Juni 2013 feiert www.kirchentag-ortenburg.de

Bis Ortenburg durften die Bibeln, die meist aus Nürnberg und Regensburg kamen, zurzeit des Geheimprotestantismus geliefert werden. Ab Ortenburg wurden die unzähligen Lutherbibeln, Gesangs- und Gebetsbücher die nach Österreich hinein bis in die entlegensten Bergtäler gelangten, dann geschmuggelt.

In die andere Richtung pilgerten die Geheimprotestanten um das Wort Gottes zu hören. Höchststrafen haben die Österreicher evangelischen Glaubens damals riskiert nur um einmal an einem protestantischen Gottesdienst in der Enklave Ortenburg teilnehmen zu können. Dieses „Auslaufen“, wie sie es nannten, vertuschten viele von ihnen mit einer Wallfahrt nach Altötting, an der sie offiziell teilnahmen.

Der Buchschmuggel wurde meist von jungen Burschen betrieben, die u.a. Salz in das Bayerische transportierten und auf dem Rückweg die verbotenen Bücher mitnahmen. Die Ware wurde bei Zollstellen streng kontrolliert. Damit eine Lutherbibel nicht erkannt wurde, rissen die Schmuggler meist die erste Seite des Buches heraus, sodass die Zöllner nicht feststellen konnten, ob es sich um katholische oder evangelische Bücher handelte, denn lesen konnten nur die wenigsten.

Der Start

Der „Weg des Buches“ beginnt also nun vor der evangelischen Marktkirche in Ortenburg und geht gleich bei Schärding über die österreichische Grenze, und wie im Wanderführer „Der Weg des Buches“ beschrieben weiter in das Salzkammergut über den Dachstein und die Kärntner Nockberge bis nach Arnoldstein/Agoritschach.

Auch auf bayerischer Seite gab es geheime Luther-Anhänger und wie für ihre österreichischen Glaubensbrüder und -schwestern war oft Ortenburg eine der bedeutendsten Anlaufstellen neben den Reichsstädten Nürnberg und Regensburg. Graf Joachim von Ortenburg (1530 – 1600) führte in seiner reichsunmittelbaren Grafschaft Ortenburg 1563 die Reformation ein und verkörperte somit die einzige evangelische Kirche weit und breit. Auch die bayerischen heimlichen Anhänger des Protestantismus sind offiziell ins katholische Altötting gepilgert, nur um beim Rückweg in Ortenburg in die evangelische Kirche zu gehen.

Literatur

  • Gesine Hirtler-Rieger: Ortenburg – Umschlagplatz für Bücherschmuggel. Vilshofener Anzeiger vom 29. September 2009 (S. 19)
  • Katharina Wiechers: Wo die Luther-Bibel geschmuggelt wurde.

In: Passauer Neue Presse vom 28. Oktober 2008 (S. 10) In Planung: Verlängerung des „Weg des Buches“ nach Triest in den Süden und nach Zwickau auf den Lutherweg in den Norden bis 2017

Die Evangelische Kirche A.B. in Österreich plant zur Verbreitung des Jubiläums „500 Jahre Reformation“ im Jahr 2017 eine Verlängerung ihres Themen- und Pilgerweges der „Weg des Buches“ in Richtung Norden zu den Geburtsstätten der Reformation. Im ostdeutschen Zwickau soll die Verlängerung des Weges von Ortenburg auf den Lutherweg Sachsen-Anhalt stoßen, der in die Lutherstadt Wittenberg führt. Die Route wird wichtige Orte des Protestantismus in Deutschland und Tschechien miteinander verbinden.

Die Verlängerung des „Weg des Buches“ von Arnoldstein/Agoritschach am Dreiländereck im Süden Österreichs soll über Orte, die an Primož Trubar (1508-1586), einen protestantischen Prediger und Begründer sowohl der slowenischen Schriftsprache als auch der Evangelischen Kirche in Slowenien erinnern, nach Triest führen, von wo die damaligen Bibelschmuggler Gewürze, Tücher und sog. Drogen bis nach Süddeutschland brachten.

Feierabend ORF

Endlich steht der Frühling vor der Tür

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Schwestern und Brüder!

Endlich steht der Frühling vor der Tür und der Beginn der Wandersaison 2010 rückt erfreulich näher. Damit beginnen auch die Aktivitäten rund um das Projekt WEG DES BUCHES aufs Neue und mit vollem Schwung: Mit einem eigenen Stand beim 2. Ökumenischen Kirchentag, der vom 12.5.-16.5.2010 in München stattfindet, wollen wir diesen Weg weiter bewerben und uns mit ähnlichen Projekten vernetzen. Direkt im Anschluss daran wird der Oberösterreicher Helmut Kaindl, geprüfter Bergwanderführer und Mitgestalter unseres Weges, diesen in einem Monat von Passau bis Agoritschach durchgehen. Seine täglichen Eindrücke können Sie dann entweder auf der Homepage unter www.wegdesbuches.at abrufen, oder besser noch, Sie begleiten ihn ein Stück des Weges. Wie wäre es also mit einem Gemeindeausflug auf dem „Weg des Buches“? Gemeindemitglieder einzeln oder in Gruppen, PfarrerInnen, Konfirmandengruppen, LehrerInnen und SchülerInnen,alle Wanderfreudigen sind herzlich dazu eingeladen. Genießen Sie die Vorteile einer geführten Wanderung, vor allem in den alpinen Bereichen, wie dem Dachstein- und Nockgebiet und den Niederen Tauern.

In seinem Rucksack hat Helmut Kaindl auch Informationen zum Weg, Bausteine für Andachten sowie einen Vortrag mit zahlreichen Bildern über den Weg, gepackt. Er bittet nur um Beamer und Laptop. Sein Ziel ist es, während seiner Pilgerreise mit möglichst vielen PfarrerInnen und Gemeindemitgliedern ins Gespräch zu kommen und die jeweilige Ortsgeschichte bis hin zu den gegenwärtigen Aktivitäten kennenzulernen. Es wäre wunderbar, wenn er bei Ihnen, sofern Ihre Gemeinde direkt am „Weg des Buches“ liegt, eine offene Kirche vorfände und ? sollte er mit einer Gruppe bei Ihnen eintreffen ? diese mit einer kurzen Andacht und einem Pilgersegen von Ihnen gestärkt würde.

Der beigefügte Wander- und Zeitplan gibt detailliert Auskunft darüber, wann Helmut Kaindl in Ihrer Gemeinde eintrifft und wann er mit welchem Ziel weiter zieht.

Wir bitten um Ankündigung dieser Tour auf dem „Weg des Buches“ in Ihrer Gemeinde und um die Rückmeldung Ihrer Teilnahme beziehungsweise Ihrer Beteiligung bis zum 3.5.2010 bei:

Charlotte Matthias, Leiterin des „Weg des Buches“-Projektes
Evangelische Kirche A.B. in Österreich
Severin-Schreiber-Gasse 3
1180 Wien
Tel.: 01 4791523-111
mobil: 0699 18877016

Dankbar wären wir Ihnen, wenn Sie auch die Tourismusverbände in Ihrer „Weg-des-Buches“-Gemeinde informieren und uns darin unterstützen könnten, Kontakte zur Lokalpresse zu knüpfen.

Mit freundlichen Grüßen und herzlichem Dank im Voraus

Ihr Bischof Dr. Michael Bünker

Zum Pilgertagebuch

Ökumenische Wanderung

Vom 17.Ökumenische Wanderung von Wallern nach Ortenburg vom 17. bis 20. September 2009 auf dem „Weg des Buches“

Vom 17. bis 20. September machten sich 34 wanderfreudige Frauen und Männer aus der evangelischen und katholischen Pfarrgemeinde Wallern auf eine Pilgerwanderung von Wallern nach Ortenburg (rund 90 Kilometer). Ortenburg hatte für die Geheimprotestanten unserer Gegend Bedeutung, da sie die nächste evangelische Kirche jenseits der Grenze war. Wenn Geheimprotestanten an einem evangelischen Gottesdienst und der Feier des Abendmahls teilnehmen wollen, gingen sie – teils unter dem Vorwand eine Wallfahrt nach Altötting zu machen – zu Fuß dorthin. Zudem wurden von Ortenburg aus auf diesem Weg auch unter der Gefahr erwischt und bestraft zu werden Lutherbibeln, Gesang- und Gebetbücher in evangelische Gebiete Österreichs geschmuggelt. Die Wallerner Pilger wanderten „auf dem Weg des Buches“ der seit letztes Jahr als Weitwanderweg ausgezeichnet ist.

Der Abschluss der Wanderung war ein ökumenischer Festgottesdienst in der evangelischen Kirche in Ortenburg, der von den beiden Pfarrern aus Wallern Gerhard Schwarz und Andreas Hochmeir gemeinsam mit der evangelischen Pfarrerin aus Ortenburg Sabine Hofer gefeiert wurde. Neben der Ortsgemeinde nahmen die Wandergruppe, sowie eine Gruppe von Radfahrern, die am Samstag mit dem Fahrrad nachgekommen waren und eine Gruppe von Wallerner teil, die am Sonntag mit Autos angereist waren; insgesamt 64 Personen aus Wallern. Nach dem Gottesdienst fand eine Begegnung der beiden Gemeinden bei einem Mostempfang statt.

Herzlichen Dank an Andrea Greinecker und Christoph Aumaier für die perfekte Organisation. Miteinander unterwegs zu sein, ins Gespräch zu kommen und sich als Gemeinschaft zu erfahren, war eine bereichernde Erfahrung für alle Teilnehmenden

Unterwegs sein auf dem Weg des Buches

Unterwegs sein auf dem Weg des Buches – Auf den Spuren der Bibelschmuggler und Geheimprotestanten von Dr. Michael Bünker

„(W)er in der Vergangenheit, d.h. vor 1781, seinen evangelischen Bekenntnis gemäß lebte, der war bestimmt nicht ein evangelischer Taufscheinchrist, sondern riskierte mit seinem Bekenntnis Leib und Leben, Vermögen und Familie. Schon deshalb werden verlassene Burgen und Ruinen als evangelische Gedenkstätten bezeichnet, weil auf ihnen unter Kaiser Franz Ferdinand II. Geschlechter lebten, die es vor Gott nicht verantworten konnten, ihren Glauben aufzugeben, sondern lieber ihre Heimat verließen. So verstanden, sind versteckte Grabplatten an katholische Pfarrkirchen, alte verfallene Gemäuer in den Bergforsten und bescheidene, abseits stehende Toleranzbethäuser lebendige Zeugnisse der Glaubensentscheidungen unserer evangelischen Vorväter, die uns mahnen, einzige Wahrheit auch unseres Lebens zu erkennen, nämlich den lebendigen Gott in Jesus Christus, der unser Leben vollendet und zum ewigen Leben führt. Gott schenke uns seinen heiligen Geist dazu.“

Oskar Sakrausky, Evangelisches Österreich – ein Gedenkstättenführer, Wien 1989, Vorwort

Der kleine Gedenkstättenführer aus dem ich dieses Zitat entnommen habe, wurde Anfang der 1980er Jahre vom ehemaligen Bischof Oskar Sakrausky herausgegeben. Er ist eine der wenigen publizierten Quellensammlungen auf dem Weg der Bücherschmuggler und Geheimprotestanten durch Österreich.

Die Geschichte und Geschichten über die geschmuggelten Bücher, über jene Menschen, die seit Jahrhunderten verbotene Bücher und Glaubenstraditionen innerhalb ihrer Familien weitergeben und weiterleben, sind jedoch nur schwer in Buchdeckeln zu fassen.

Vielmehr sind die Erlebnisse mit den Büchern Lebens- und Weggeschichten. Viele Menschen haben sich wegen ihrer Bücher und ihres Glaubens auf den Weg machen müssen, sind ausgewandert oder wurden ‚transmigriert’, wie es im habsburgischen Verwaltungsdeutsch genannt wurde. Anfang des 18. Jahrhunderts., als sich die religiöse Lage in Europa bereits beruhigt hatte, brach 1732/32 im Salzburger Fürsterzbistum eine beispiellose Jagd auf die evangelischen „Ketzer“ los: innerhalb von zehn Monaten wurde ein Fünftel der Bevölkerung des Landes verwiesen – innergebirg betrug der Anteil der „Exulanten“ sogar bis zu 80 bzw. 90%. Nach einer zirka dreimonatigen Wanderung quer durch Deutschland fanden die meisten von denen, die überlebten Aufnahme in Ostpreußen, das durch die Pest entvölkert war. Viele Geheimprotestanten flohen im 17. und 18. Jahrhundert auch nach Süddeutschland und Brandenburg. In Siebenbürgen entstanden ganze so genannte ‚Landlergemeinden’. Ein kleinerer Teil zog nach Holland; einige wenige gelangten über England nach Amerika.

Ihre Bücher sind oftmals auch eigene Wege gegangen. Gut versteckt blieben sie im Land, während ihre Besitzer längst an einem anderen Ort bereits verstorben waren. Manche dieser Verstecke wurden und werden noch heute erst durch Zufall wieder gefunden. So sind die Geschichten der Bibel auch Weggeschichten. Sie begleiten uns Menschen durch die Jahrhunderte hindurch.

Zur Entstehung des Projektes „Weg des Buches“

Der Weg des Buches ist aus der Evangelischen Kirche heraus entstanden, genauer gesagt, haben Religionslehrerinnen den Anstoß zu diesem Projekt gegeben, dass die Geschäftsführerin von „respect –Institut für integrativen Tourismus“ Margit Leuthold – selbst auch Pfarrerin ? leitete. Unter Ihrer Projektleitung wurde mit viel Engagement und Feuer von allen Beteiligten das Projekt „Weg des Buches“ entwickelt. Drei Gruppen haben an dem Weg des Buches mitgearbeitet: Wander- und TourismusexpertInnen, die Bibelgesellschaft sowie die Spezialisten für Kirchengeschichte an der Universität Wien. Das Wissen aller Beteiligten fügt sich zusammen in den drei im vergangenen Herbst erschienen Büchern. In dem:

  • Wanderbuch „Der Weg des Buches“
  • Bibelleseplan, der dem Wanderbuch beiliegt
  • „Buch zum Weg“, das sich mit der Kirchen-, Kunst- und Kulturgeschichte am „Weg des Buches“ befasst.

Der Wanderführer führt uns entlang alter Schmuggelwege der deutschen Bibel zur Zeit des Geheimprotestantismus vom Norden, von Passau -Schärding in den Süden Österreichs bis an die slowenische Grenze nach Arnoldstein/Agoritschach. Er führt durch die vier Bundesländer Oberösterreich, Salzburg, Steiermark und Kärnten. 29 Tagesetappen, fünf Radtouren und 24 Wandertage beschreiben einen thematischen Weitwanderweg auf bestehenden Rad- und Wanderwegenetzen. Praktische Tipps zu Unterkunft, Geschichte und Kultur vor Ort bieten möglichst große Unabhängigkeit und Sicherheit auf dem Weg und ausreichend Information, um Menschen, Geschichten und die Besonderheiten vor Ort besser kennen lernen zu können.

Wanderexperten der Naturfreunde Österreich und des Österreichischen Alpenvereins brachten ihre Expertise ein, katholische Christen machten sich auf eine ihnen ungekannte Geschichte in ihrer Region. Kirchengemeinden und Tourismusverantwortliche in den Tourismusverbänden der Regionen nahmen die Idee auf und entwickelten eigene Tourismus-Angebote, die einzelne Wegstrecken begleiten. Mit dem zu den Etappen entsprechenden Bibelleseplan können Interessierte den Weg als „meditativen Einkehrweg“ erleben.

Dass die Spurensuche nicht nur für Nachfahren der Geheimprotestanten wichtig ist, wurde schon während der Arbeit am Projekt deutlich: Menschen innerhalb und außerhalb der Kirchen engagierten sich mit großer emotionaler Beteiligung für das Projekt, weil es ein Stück österreichischer Geschichte ist, über die nur wenige Menschen außerhalb der Evangelischen Kirche etwas wissen.

Der Weg des Buches verbindet

Orte, Landschaften, Regionen und Menschen. Auf Schmuggelrouten, entlang alter Handelstraßen und Säumerpfade sind markante Orte zu finden: das Emlinger Holz, in dem die Bauern in Oberösterreich nicht nur, aber auch für ihre Freiheit im Glauben kämpften. Im Museum in Peuerbach und im Evangelischen Museum Oberösterreich in Rutzenmoos sind Bibeln, Fahnen, Waffen und Schellen, die große Glocken – das sogenannte „Hamliche G’läut’ ? , die bei Gefahr geschlagen wurden, zu finden. Im Salzkammergut können alte geheimprotestantische Treffpunkte in Höhlen entdeckt werden. Geschichten erzählen von Bibelverstecken in Brunnen, Scheunen und Fässern. Die Erinnerung an die bibelschmuggelnde Gosauerin Brigitta Wallner, die ein Leben als Holzknechtwitwe und Geheimprotestantin führte, sich wiederholt zu Fuß nach Deutschland aufmachte, um dort an evangelischen Gottesdiensten teilzunehmen und dabei die Bibeln und Andachtsbücher in ihre Heimat nach Gosau schmuggelte, macht deutlich, dass bei den Evangelischen auch Frauen des Lesens kundig waren und einen eigenen Kopf hatten. In der Ramsau steht ein Felsen im Wald, als Predigtstuhl bekannt. Nomen est omen: Hier kamen die Ramsauer Bauern zusammen, um von Wanderpredigern die Schrift ausgelegt zu bekommen. In Kärnten ist in der Nähe des Weißensees in einem Waldstück die „Hundskirche“ zu finden, ein meterhoher, sehr markanter und mit Zeichen versehener Felsen.

Eingeritzt in den Fels sieht man eine Schlange mit Krone, in der Mitte einen Hund und rechts einen Kirchturm auf einem Schneckenhaus oder einer Spirale stehend. Nach dem Hund hat ja der Fels seinen Namen. Es handelt sich bei ihm natürlich um keine Kirche, sondern um eine Art Kultstätte, auf der sich die Evangelischen versammelten, die im Untergrund oder im Geheimen ihren Glauben lebten. Eine mögliche Deutung der Zeichen und der Inschrift besagt, dass der Hund für den Gegenreformator Peter Hund (= Petrus Canisius) steht, der von Kaiser Ferdinand I. (die Schlange mit der Krone) ins Land gerufen wurde, um die Protestanten zu verfolgen. Der Kirchturm auf der Schnecke oder Spirale soll zum Ausdruck bringen, dass sich die evangelische Kirche zwar langsam aber aufrecht bewegt. Unterhalb der Zeichen befindet sich die Inschrift „Also geht’s in der Welt“ mit verdrehten Buchstaben geschrieben, sie könnte man als Hinweis auf die Konfusion und die religiösen Konflikte deuten, die vor allen Dingen in der Zeit des 17. und 18. Jahrhunderts geherrscht haben; also in der Zeit, in der die gegenreformatorischen Strömungen am stärksten waren.

Dort feierten Geheimprotestanten Gottesdienste und Abendmahl. Auch hier warnten die Schellen, das ‚Hamliche G’läut’, vor Entdeckung.

Im Gegensatz zur Vergangenheit können heute Wanderer bei schönem Wetter und mit leichtem Gepäck unterwegs sein, ohne Gefahr zu laufen, verhaftet zu werden. Vor Jahrhunderten waren Schmuggler mit Bücherware aus Süddeutschland unterwegs, stets in der Gefahr, erwischt zu werden. Lutherische Bibeln, Gebets- und Gesangbücher waren verboten. Fand man bei Bauern, Knechten und Mägden solche Bücher, wurde oft kurzer Prozess gemacht: Die Bücher wurden konfisziert und verbrannt, die Menschen zur Auswanderung gezwungen. Wie immer, mit unterschiedlichen Schrecken für die Betroffenen. Während Adelige ihr Hab und Gut verkaufen oder innerhalb der Familie vererben konnten, verarmten Bauern und Knechte in fremden Landen oft als Tagelöhner. Junge Männer wurden zum Militär zwangsrekrutiert – und kamen in Kriegen um. Kirchenlieder erzählen von diesen traumatischen Erfahrungen und vielleicht findet der eine oder die andere nach einigen Etappen auf dem Weg des Buches für sich einen ganz neuen Zugang zu diesen alten Liedern. Für Evangelische aus Deutschland kann dieser Weg zu einer ganz eigenen Spurensuche in der Familiengeschichte werden:

Wer sich mit Wanderführer und Bibelworten auf den Weg macht, wird vielleicht erfahren, dass Geschichte lebendig werden und die Gegenwart der evangelischen Gemeinden auf dem Weg mit anderen Augen gesehen und wahrgenommen werden kann.

„Lesen lernen“ – das Programm Melanchthons

„Lesen lernen“ - mit diesem ebenso schlichten wie prägnanten Programm startete Philipp Melanchthon bereits in den dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts ein einzigartiges Bildungsprogramm, dessen Erben wir in vielem noch heute sind. Schulen wurden gegründet, Universitäten erhielten neue Lehrpläne, Lehrer wurden ermahnt, auch Mädchen zu unterrichten. Melanchthon erarbeitete Schulordnungen, er schrieb Grammatiken und unterrichtete selbst mit großer Leidenschaft. Kein Wunder, dass ein Professor, der das protestantische Bekenntnis als Theologe maßgeblich prägte, sich auch dafür einsetzte, dass jeder Christenmensch eigenständig in der Bibel lesen kann. Das Buch der Bücher, von Luther so grandios in die deutsche Sprache übersetzt, brauchte Leser und Leserinnen.
„Lesen lernen“ – dieses Programm in der ausgreifenden Bedeutung, die über die bloße Buchstabierfähigkeit weit hinausging, eröffnete einen Zugang zum kulturellen Erbe der Vergangenheit, mehr noch, das Lesen ermöglichte eine Begegnung des Menschen mit sich selbst und führte ihn zur Mündigkeit. Daher erschien in der Zeit der Gegenreformation bis weit ins achtzehnte Jahrhundert das Buch als Gefahr, weil der Gewinn an Selbstständigkeit, um den es Melanchthon zu tun war, für mehr als suspekt und gefährlich gehalten wurde. Alleinlesen fördere die Aufsässigkeit und Eigensinnigkeit, so hieß es.
Ein evangelischer Bischof, der heute über die Kulturbedeutung des Buches sprechen darf, steht auf den Schultern des Riesen Melanchthon, dessen Überlegungen in vielem auch heute noch aktuell sind.

Lesen lernen – die neue Freiheit von Bauern, Knechten und Mägden

Wonach riechen eigentlich Religionen? Dieser Frage ist Lionel Blue, ein englischer Rabbiner, nachgegangen. In seinem Buch „A Taste of Heaven“ behauptet er, das Judentum rieche nach schwerem Rotwein, der Hinduismus nach Kardamom, der Katholizismus – richtig – nach Weihrauch. Aber wonach riecht der Protestantismus? Ist der nicht durch seine Kopf- und Wortlastigkeit sinnlich kaum erfahrbar? Wonach sollte eine Religion riechen, in der fast ausschließlich von einigen gesprochen und von den meisten zugehört wird? Lionel Blue ist zum Glück doch fündig geworden. Evangelische Kirchen, so meint er, verströmen den typischen Geruch von alten Büchern.

Damit ist durchaus etwas Richtiges getroffen. Schon ein flüchtiger Blick in eine evangelische Kirche zeigt es deutlich: Auf dem Altar, im Zentrum, liegt ein Buch, nein, es ist DAS Buch, das Buch der Bücher, die Bibel, das ist die ganze Heilige Schrift. Eine Altarbibel. Meist liegt sie mit aufgeschlagenen Seiten da, als wollte sie dazu einladen, dass sich die Besucher und Besucherinnen über die Seiten beugen, die Buchstaben als Worte erkennen und zu lesen beginnen. „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde…“

Lesen ist immer mehr als das bloß korrekte Wiedergeben der Buchstaben, meinte der vor kurzem verstorbene österreichische Germanist Wendelin Schmidt-Dengler, vor allem sollte es immer ein Erkenntnisgewinn sein. Lesen reicht nämlich weit über das Geschriebene hinaus, es ist eine geistliche Übung, ein „Exerzitium“, das die Menschen lehrt, mit den Tatsachen des Lebens umzugehen. So ist das Lesen nie nur auf die Schrift vor Augen gerichtet, es schließt immer den Leser, die Leserin ein. Zahllos sind die Beispiele, wo Lesende in den Strudel der Buchstaben hineingezogen werden, selbst zu Figuren der Literatur, in die sie sich vertieft haben. Umgekehrt kann den Lesenden das eigene Leben in der Lektüre des Textes vor Augen treten ? in einer Deutlichkeit, die ohne Leseübung undenkbar wäre. So kann’s auch mit der Bibel gehen. Nein, sagte eine alte Bäuerin, nicht ich lese die Bibel. Die Bibel liest mich. Sie war auch schon lange auf dem Weg des Buches.

Am 31. Oktober feiern die Evangelischen das Gedenken der Reformation. Dieser Tag ist in einem europäischen Land Nationalfeiertag, obwohl es dort nur wenige Evangelische gibt. Es ist Slowenien. Warum? Die Antwort liegt im 16. Jahrhundert, dem Zeitalter der Reformation. Von Anfang an war es der Anspruch, dass jeder Christ, jede Christin die Möglichkeit haben soll, in der Bibel zu lesen. Dazu waren zwei Dinge notwendig: Zuerst musste die Bibel in die jeweilige Landessprache übersetzt werden. Das ist in großem Umfang geschehen. Martin Luthers Bibelübersetzung gilt als besonders gut gelungenes Beispiel. Unter den Übersetzungen in andere Sprachen möchte ich die ins Slowenische erwähnen. Mit ihr ist die slowenische Kultur erst möglich geworden. Deshalb ist der Reformator Sloweniens, Primoz Trubar, der vor 500 Jahren geboren wurde, auf der Ein-Euro-Münze abgebildet. Deshalb ist im überwiegend katholischen Slowenien der Reformationstag Nationalfeiertag. Zum Übersetzen gehörten der Druck und die Verbreitung des Buches. Und schließlich – besonders entscheidend – mussten die Menschen in die Lage versetzt werden, dieses Buch auch lesen zu können.

Daher war von Anfang galt die Schule als besonders Anliegen der Reformation. Alle müssen lesen und Schreiben lernen, nicht nur die Kinder der Adeligen, auch die Kinder der Bauern; nicht nur die Buben, auch die Mädchen.

 
So kam es in der Reformationszeit zu einer weiten Verbreitung der Bibel, die Adeligen halten sie in ihren Bibliotheken, die Bürger der Städte und bemerkenswerter Weise auch die Bauern. Bald kamen weitere Literatur dazu, Gesangsbücher, Gebetsammlungen, Predigtausgaben … und auf den Bauernhöfen entstanden kleine Bibliotheken.

Das alles war kein Selbstzweck: Vor Gott, so die Grundüberzeugung der Evangelischen, kann sich niemand vertreten lassen. Jeder und jede ist selbst aufgerufen, für den Glauben einzustehen und grad zustehen. Mündigkeit, Selbstständigkeit in Glaubensdingen braucht die Bildung zu mündigen Christenleuten.

„…Wir aber wolln fest beim alten Glauben, fest beim Evangeli bleiben, fest bei ünsern Herrn Jesu bleiben. Wir wolln liaber Haus und Hof, ünser Hoamat, ünsere Berg, liaber Weib und Kinder verlassen, als ünsern Herrn Jesum. Ünsern Herrn nit verlaugna, nicht verratn, nit scheinheilig stellen oder katholisch und im Herzen evangelisch sein!

Christus hat den Armen das Evangeli bracht, der guete Hirt von Salzburg nimmts wieder, ja aber glei das druckte Evangeli kann er nehma, das da drein (in der Brust) kann er nit nehma, und lassens üns nit nehma. … O, wie a schöne Zeit haben wir ghabt! Mit dem Evangeli und der hl. Schrift sind wir schlafen ganga, die Sennderin, der Hirte hats auf d’Alma genumma, der Holzknecht in den Wald; der Jager auf die Bürsch, die hl. Schrift war ünser Geschichtenbuech, ünser Heil und Glück, ünser Segen, Freud und Lust.. Es war bei üns so, wie der hl. Paulus befiehlt:’Lasset das Wort Gottes reichlich unter euch wohnen in aller Weisheit, lehret und ermahnet euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern.’ Aber Alls habens üns gnumma, graubt und verboten, nit anmal die schön alten Gsanger därfen ma mehr singa. …“.

(Hannß Moßegger, Laienprediger am Hollereckboden in Wagrein 1731, in: Gerhard Florey, Predigt eines Salzburger Prädikanten aus dem Jahre 1731, in : Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich, Jg. 97, 1981, Auszug in: Weg des Buches, S. 66-67)

Warum er denn so störrisch an seinen Büchern hänge und sie nicht freiwillig herausgebe, wie es die anderen lutherischen Sektierer doch auch täten, wurde ein Bauer Mitte des 16. Jahrhunderts in der Nähe von Kitzbühel im Verhör gefragt. Wir sind mitten in einer großangelegten Polizeiaktion auf der Suche nach den verbotenen Büchern, um der evangelischen Ketzerei den Boden zu entziehen. Nächtliche Razzien und Denunziationen gehörten ebenso dazu wie der Einsatz von polizeilicher Gewalt. Der Erfolg scheint den Bücherjägern Recht zu geben. Mehrere zehntausend Bücher werden eingesammelt und verbrannt, sie sind nach Meinung der Obrigkeit zu nichts anderem gut, als das man ein Sonnwendfeuer mit ihnen mache. Eine unselige Tradition der Zensur, der Gedankenpolizei, der Bücherverbrennung, die hier ihren Anfang genommen hat.

Nun zurück zu unserem Bauern. Sein Name ist überliefert, er hieß Christoph Linsegger und wusste wohl um die Folgen, wenn er sich nicht gehorsam zeigt. Dennoch: Nein, sagte er, er werde die Bücher niemals von sich aus hergeben, denn – und jetzt kommt die Begründung ? mit ihnen „speise er seine Seele“.

Über diesen Satz bin ich gestolpert. Die Bücher, allen voran die Bibel, die Heilige Schrift, als Speise und Nahrung für die Seele.

Damit ist eine Dimension angesprochen, die alle, die regelmäßig in der Bibel lesen, bestätigen können. Wodurch wird die Seele gespeist? Zuerst einmal ist es die tiefe Menschlichkeit, die sich in den biblischen Geschichten ausdrückt. Von der großen Politik bis hin zum unscheinbaren Leben der kleinen Leute, dann wieder große dramatische Konflikte, nicht selten auch eine gehörige Portion Sex and Crime, wunderbare Literatur, ein Schatz an Wendungen und Sprichwörtern, alles das ist die Bibel. Aber sie ist immer auch mehr, denn sie verwebt alles Menschliche mit der Gottesgeschichte. Verweben, wie ein Textil gewebt wird. Der Text der Bibel ist wie ein solches aus vielen verschiedenen Fäden gewebtes Textil. Gleich, welchen Faden jemand in die Finger bekommt, es erschließt sich das ganze Gewebe.

Die Geschichte der Evangelischen in Österreich ist also auch eine Geschichte der verbotenen Bücher und insbesondere der der Bibel. Auf geheimen Wegen wurden sie ins Land geschmuggelt. Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts bis zum Toleranzpatent Joseph II im Jahr 1781 gibt es diesen Strom der Untergrundliteratur von den Druckereien in Württemberg oder in Franken ins Land gebracht, in Fässern versteckt, oder auf dem Rücken, auf der Kraxen getragen, von professionellen Kleinhändlern und Schmugglern, von Markt zu Markt, von Hof zu Hof. Gleichzeitig die ständigen Versuche der Obrigkeit, die Bücher aufzuspüren und zu vernichten. Wer lesen konnte, war automatisch der Ketzerei verdächtig.

Die Verstecke, an denen die Bibeln aufbewahrt wurden

Es waren ? und das ist das besondere Kennzeichen für den österreichischen Protestantismus ? Bauern, zumeist in abgelegenen Tälern, die auf ihren Höfen die Bücher verwendeten. Aus Angst vor der Polizei, auch vor Denunziation, versteckten sie die Bücher. Es ist abenteuerlich, die Aufzählung der Bücherverstecke in den Polizeiprotokollen zu lesen. Unterm Herd, im Strohsack, irgendwo auf der Alm, im Stall, im Tenn, im Heu, bei den Pferden, im Bienenstock, ja sogar im Butterrührkübel, überall waren Bücher. Eindrucksvoll die Geschichte der Bäuerin, die beim Herannahen der Polizei ihre Bibel schnell im Brotteig versteckte und das Brot in den Ofen schob. So blieb das Buch unentdeckt, und die Bibel wurde zum Brot, zur täglichen Nahrung für Leib und Seele.

Zehntausende Bücher sind gefunden und verbrannt worden, viele sind erhalten geblieben, nicht nur im Museum, sondern bis heute in Verwendung. Wer weiß, wie viele noch versteckt sind weil sich niemand der Orte erinnert, an denen sie aufbewahrt wurden?

Am Abend, beim Dunkelwerden, saßen die Hausleute beisammen und der Bauer las aus dem Buch. Mehr wie eine Kerze wird wohl nicht gebrannt haben. Die Vorhänge waren zugezogen. Man wusste ja nie, wer vorbei kommt und sich wundert, wieso da noch Licht ist, und außerdem die Nachbarn… Aber die Dunkelheit hatte für diese Menschen nichts Furchterregendes. Die Bücher waren unser Licht, sagte einer von ihnen im Rückblick.

Die Bibel - Ein Schatz der Menschen

„Im ganzen Haus war es still“, so beschreibt der Kärntner Bauernsohn Michael Unterlercher, wie bei ihnen zu Hause Mitte des 19. Jahrhunderts Ostern gefeiert wurde. Während die katholischen Nachbarn ins Dorf zur Messe gingen, saß die evangelische Familie um den Tisch. Reihum wurde im Predigtbuch gelesen. Nach der gemeinsamen Andacht zog sich jeder und jede mit einem Buch in irgendeinen Winkel zurück. Mann und Frau, Eltern und Kinder, auch die Knechte und Mägde. Im ganzen Haus war es still. Ein eindrückliches Zeugnis für die typisch evangelische Lese- und Bibelfrömmigkeit. Die Bücher kamen lange Zeit auf Schmuggelpfaden ins Land. In einem ununterbrochenen Strom. Es war dieser Strom der Bücher, der die evangelische Frömmigkeit in Österreich am Leben erhielt. An abgelegenen Tälern, im Geheimen, in einer Höhle, im Wald, in der Dunkelheit der Nacht wurde gelesen, gelesen und gelesen. „Sie haben ihren Schatz an den Bibeln, Postillen und dergleichen Büchern gehabt“ heißt es in einem Verhörprotokoll. Das stimmt materiell, die Bücher waren für Bauern sehr teuer, es stimmt aber auch im übertragenen Sinn. Die Bücher, allen voran die Bibel, waren der Schatz der Menschen.

Der Weg des Buches, der Weg der Bibel und der Weg mit der Bibel

Evangelische gehen diesen Weg ihr Leben lang. Schon bei der Taufe wird dem Neugeborenen ein biblischer Taufspruch mitgegeben, und bei der Konfirmation, der Wende zum Erwachsenwerden, erhalten die jungen Menschen einen ganz persönlich für sie ausgesuchten Bibelspruch mit für ihren weiteren Weg im Leben. Nicht selten wird dieser Konfirmationsspruch wieder verlesen und ausleget, wenn ein Mensch gestorben ist. Wie hat dieses Bibelwort im Leben gesprochen? Was hat es gesagt? Bei Trauungen schenkt die Pfarrgemeinde gerne eine Familienbibel, in der Geburten, Hochzeiten, Sterbefälle eingetragen werden und so das Geschick, Freud und Leid im Leben der Familie mit der Botschaft der Bibel verbunden. Mit der Bibel gehen viele in den Tag. Neben dem Brauch, täglich einen Abschnitt der Bibel zu lesen, sind es besonders die sogenannten Losungen, die weit verbreitet sind. Diese Tradition verdanken wir der Herrenhuter Brüdergemeinde und ihrem Gründer Nikolus von Zinzendorf. Er hat eines Abends seiner Gemeinde einen Satz aus der Bibel mit auf den Weg gegeben. Das hat allen so gefallen, dass sie ihn täglich darum gebeten haben. So wurde der Brauch eingeführt, aus einer großen Zahl von biblischen Sätzen für jeden Tag einen auszulosen. Daher „Losungen“. Es tut einfach gut, den Tag nicht gleich mit den Terminen und Planungen zu beginnen, die er mit sich bringt, sondern innezuhalten, aufzuhören mit dem eigenen Getriebe und auf jene Stimme zu hören, die Christinnen und Christen aus der Heiligen Schrift vernehmen. Eine andere Stimme, die Stimme eines anderen. In ihrem Licht kann sich jeder und jede wieder neu und vielleicht auch wahrhaftiger sehen und erkennen.

So wird sich evangelische Frömmigkeit und Spiritualität immer als Bibelfrömmigkeit und Lesefrömmigkeit darstellen. Evangelisch-Sein heißt, den Weg des Buches gehen. Und damit auch einen Beitrag zur unverzichtbaren Kultur des Lesens und des Buches im Allgemeinen geben.

Es gibt keine Zukunft ohne Herkunft

Es ist heute in keiner Weise mehr selbstverständlich, dass Menschen in Kirchen schauen und zum Gottesdienst kommen, um eine Antwort auf ihre spirituellen Fragen zu finden.

Es ist aber von großer Bedeutung für die Kirchen, dass sie Menschen auf ihrem Lebensweg begleiten. Wegbegleitung heißt: ich bin bei dir, ich höre zu, wir reden miteinander, du kannst all deine Fragen stellen, wir sind gemeinsam unterwegs. Das Interesse an Pilgerwegen, Pilgerreisen und -fahrten ist einer von vielen Indikatoren, die heutzutage einen Trend in Richtung neuer Spiritualität anzeigen. Pilgern ist in dieser Beziehung keine konfessionell gebundene Tradition. Wenn wir mit dem Weg des Buches an die alten Schmugglerwege anknüpfen, begründen wir eine neue Kultur des Erinnerns und Wahrnehmens.

Die evangelische Kirche A.B. begibt sich auf den Weg des Buches und bietet Begegnung mit ihrer Geschichte und ihrer Gegenwart an. Gerade im ländlichen Bereich sind die Kirchen oftmals eine der wenigen Kulturträgerinnen im Ort und die weit sichtbaren Kirchtürme, die robusten Kirchenmauern geben ein deutliches Signal: Wir ziehen uns nicht zurück, auch wenn das Geschäft, die Tankstelle, die Schule und die Bibliothek schon geschlossen sind. Kirchenraum ist also auch öffentlicher (Kultur-) Raum, mit dem Menschen auf dem „Weg des Buches“ vertraut gemacht werden können. Wir sind sichtbar mit all unseren Angeboten und Problemen.

Wir Evangelische machen keine Exerzitien, bieten keine Wallfahrten, kein Ablass-, Buß- oder Vertretungspilgern an. Wir pilgern nicht an einen heiligen Ort. Wir machen uns lediglich auf den Weg und gestalten Wanderungen als eine spirituelle Möglichkeit, sich und unserer Umgebung zu nähern, in Kontakt miteinander zu treten und gemeinsam über unseren Glauben nachzudenken.

Dazu ist wichtig, was die WegbegleiterInnen und die Kirchgemeinden auf dem Weg anbieten: eine geeignete Herberge, eine verlässlich geöffnete Kirche, ein Willkommen, ein Pilgersegen oder auch spezielle Gottesdienste. Eine Pilgerbegleitung mit Zeiten für Einkehr; Lieder, Gebete, für Gespräche, historische Rückblicke und Zeit für den Austausch persönlicher Fragen des Lebens, sollte auch immer die Augen öffnen für die Gegenwart: Was gibt es Schönes auf dem Weg, wo geht es der Natur und den ländlichen Regionen? Woher kommen wir, wohin gehen wir und was umgibt uns?

Beim Gehen, beim Wandern spüren wir die Welt um uns herum und unseren Körper anders als beim Sitzen und beim Fahren. Details werden deutlicher, die Wahrnehmung ist erhöht. Pilgern ist zunächst Wandern bei Sonne, Wind, Regen, Hitze, Kälte, plötzlichen Gewittern, aber es kommt noch mehr hinzu: Ziele, Phantasien, Erinnerungen und Tradition.

Wir können uns als Kirche neu gestalten und präsentieren, in dem auch unser „Ureigenes“, das Evangelium auf dem Weg zur Erfahrung werden kann.

Zeitgenössisches Pilgern könnte heißen „Unterwegssein mit wachen Sinnen und offener Seele“.

Die Emmausjünger

Die Bibel ist voller Weggeschichten, Abraham, Isaak und Jakob, das Volk Israel, die Jünger Jesu, die Missionare des NT – sie alle machten Gotteserfahrungen unterwegs. Die Emmausjünger gingen von einem Ort zum anderen. Sie bekamen Gesellschaft, unterhielten sich unterwegs. Nach der Ankunft, beim Brotbrechen, erkannten sie plötzlich, dass Jesus mit ihnen gegangen war, und stellten fest: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?“ (Lk. 24,32).

Begegnungen mit Gott unterwegs

Der Weg des Buches ist ein Weg, der die Wandernden an die Wurzeln der Geschichte der Evangelischen in Österreich heranführt und heutiges protestantisches Denken und Handeln verständlich machen will. Unsere Gesellschaft ist auf die Kirchen angewiesen, weil sie ein Gedächtnis haben und ein Ort der Erinnerung sind. Fulbert Steffensky hat die Kirche einmal „eine Erinnerungsverleihanstalt“ genannt. Der Weg des Buches lädt aber auch einfach dazu ein, Alltägliches zu unterbrechen und sich auf den Weg zu machen mit wachen Sinnen und offener Seele. Das tut gut. Wandern ist gesund, bewegt Körper und Geist und ist ökologischer als andere Arten, den Urlaub zu verbringen. Der Weg des Buches bietet die Möglichkeit, die Welt und die Menschen in einer ganz anderen Qualität, der Qualität der Schöpfung, in der der Mensch integriert ist, bewusst wahrzunehmen.

Er fordert heraus, die Qualität des Lebens mehr zu betonen. Viele Menschen machen die Erfahrung, dass es sich beim Gehen oder auch Laufen ganz besonders gut reden lässt. Durch Bewegung und frische Luft kommt mehr Freiheit ins Denken, Fixierungen lösen sich auf. Wer hat nicht schon mal über ein Problem beim Gehen oder Laufen nachgedacht und ist zu befriedigenderen Ergebnissen als hinter dem Schreibtisch gekommen? Unsere Natur und auch unsere Körper sind ein Geschenk Gottes. Brechen wir auf und erfreuen uns an seiner Schöpfung und der guten Betätigung unseres Körpers.

Widersteht, fest im Glauben

Aus der Predigt von Bischof Michael Bünker zum Reformationsfest 2001 im Toleranzbethaus in Fresach, veröffentlicht in: Bünker, Michael, Mit weitem Herzen. Glaube kreuz und quergedacht, Wien, Innsbruck, Tyrolia 2008, S. 85–90.

„Die Evangelischen aus der Gegend um in Kärnten mussten sich lange Zeit im Geheimen zum Gottesdienst treffen. An ganz besonders abgeschiedenen Orten. Es war die Zeit des Geheimprotestantismus im 17. und 18. Jahrhundert. Einer dieser geheimen Gottesdienstorte ist die sogenannte „Hundskirche“. In der Zeit der Verfolgung kamen die Menschen dort zusammen. Wie werden die folgenden Worte der Heiligen Schrift in den Ohren dieser Menschen geklungen haben müssen? Aus dem ersten Petrusbrief:

„Wer ist’s, der euch schaden könnte, wenn ihr dem Guten nacheifert? Und wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig. Fürchtet euch nicht vor ihrem Drohen und erschreckt nicht; heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen. Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, und das mit Sanftmut und Gottesfurcht. Seid nüchtern und wacht, denn euer Widersacher geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingt. Dem widersteht, fest im Glauben. Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt.“

An der „Hundskirche“ gibt es merk würdige Bilder, ohne große Kunstfertigkeit in den Stein eingeritzt. Sie zeigen uns, wie sich die Menschen fühlten. Zuerst eine Schlange. Mit einer Krone auf dem Kopf. Gemeint ist wahrscheinlich Ferdinand, der Landesherr. Dann der Hund, der dieser ungewöhnlichen Kirche den Namen gab. Wahrscheinlich eine Anspielung auf Petrus Canisius, nach dem lateinischen Wort für Hund, canis. Der Jesuit aus Wien. Das dritte Bild ist das erschütterndste. Es zeigt die Kirche. Als Schnecke. Nicht nur relativ schutzlos, sondern vor allem unwahrscheinlich, ja unerträglich langsam. Mit einer Schnecke gegen Hunde und Schlangen. Lächerlich! Vor der Bösartigkeit und Giftigkeit der Schlange, vor der Bissigkeit und Hetzlust der Hunde. Die Kirche in einer Schlangengrube, in einer Hundemeute. Was soll da aus dem Evangelium werden? Wie kann in dieser Gesellschaft, die als Bestie dargestellt ist, von der Menschwerdung Gottes geredet werden? „Also gehts in der Welt!“ Steht in verdrehten Buchstaben zu lesen. Die Buchstaben stehen Kopf und kugeln durcheinander wie die Verhältnisse und Zustände. Wer wollte in einer solchen Welt nicht Grund haben, sich zu fürchten? Die „Hundskirche“ passt zur Bibelstelle aus dem Petrusbrief. Die Machtlosen fi nden ihre Sprache, ihre Bilder. Seid nüchtern und wacht, euer Widersacher geht umher wie ein brüllender Löwe, wie ein Schlangenkönig, wie ein Hund! Sie drücken ihren Protest aus und organisieren ihren Widerstand. Im Mai 1722 sind drei junge Männer aus dieser Gegend hier zu Fuß unterwegs. Nach Regensburg. Dort wollen sie sich beschweren über die Verfolgung, der sie hier wegen ihres Glaubens ausgesetzt sind. Und natürlich: sie wollen einen Prädikanten, der ihnen das Evangelium predigt! „Es kann doch nicht so weitergehen, dass wir uns nur im Geheimen treffen können. Dass wir ständig einen Glauben vortäuschen müssen den wir nun einmal nicht haben.“ Nach heutigen Vorstellungen sehr bescheidene Wünsche, Selbstverständlichkeiten. Aber damals wurden solche Pläne gleich als Aufruhr verdächtigt, als Widerstand. Der Staat ruft ständig nach dem Militär und der Polizei, damals wie heute, wenn Menschen über das geltende Recht hinaus ihre Rechte einfordern, die sie von Gott selbst herleiten. Zum Beispiel um das Recht, anders zu denken, anders zu glauben, anders zu leben, anders zu sein. Protest und Auflehnung gegen den Zwang, ständig in der Lüge zu leben. Für das Recht, in der Wahrheit zu leben. Ich stelle mir vor, dass diese drei auf ihrem Weg miteinander sprechen. Vielleicht so: „Haben wir eine Chance? Es spricht alles gegen uns. Die Rechtslage ist eindeutig, die politische Lage auch.“ Und trotzdem. Dennoch. Gegen allen Augenschein. Was ist dieses Trotzdem, dieses Dennoch? Woher sollen wir die Kraft haben für dieses Trotzdem? Ist das die Kraft des Evangeliums, die von Martin Luther und den Reformatoren wiederentdeckt wurde und die ständig und immer neu wiederentdeckt werden muss. „Siehst du die Burgen?“, unterhalten sich die drei Protestgänger und Widerstandswanderer. Links und rechts! Landskron, Sommeregg, Gmünd, Porcia Sie sitzen überall. Die Tyrannen und Stockmeister. Und jede Burg sagt: Widerstand ist sinnlos. Du lebst nur von unsrer Gnade. Die drei wurden verraten. „Also geht’s in der Welt!“ Als sie wieder heimkommen, werden sie schon erwartet. Auf der Schönfeldalm begegnen ihnen die Reiter. Und dann ins Gefängnis. Ohne Hoffnung. „Wir sehen die Unseren nie wieder. „Uns verschlingt der Kerker. Hier können wir vermodern.“ Die Namen dieser drei sind in den Polizeiakten erhalten. Es war der Hans Köfl er aus Buchholz, der Christian Kohlweiß vom Ainetter am See, und der Jakob Ritsch vom Schmalliner aus Arriach. Diese Erfahrungen mögen heute völlig fremd erscheinen. Aber hier, an diesem besonderen Ort sind sie wohl noch lebendig. Die Steine des Bodens, das Holz der Bänke und der Emporen, die Bücher, die im Geheimen gelesen wurden und heute hier ausgestellt sind, alles gibt Zeugnis von dieser Erfahrung der Unterdrückung und der Verfolgung. Und die Altaraufschrift im Toleranzbethaus in Fresach ist wie eine Antwort zum resignierenden „Also geht’s in der Welt“ von der „Hundskirche“: „Gott ist getreu!“

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